50 Jahre wacker für die Baukultur

Stein am Rhein steht bei jeder Busreise an den Bodensee auf dem Programm, weil es den Ruf hat, so ein „Klein-Rothenburg“ zu sein, auch wenn das Städtchen viel kleiner ist als die Stadt an der „Romantischen Straße“, aber in der Schweiz ist ja alles kleiner. Der letzten Stadt am Untersee (und ersten am Hochrhein) wurde 1972 durch den Schweizer Heimatschutz der erste „Wakkerpreis“ verliehen, deshalb wird auch in diesem Sommer dort das 50-jährige Jubiläum gefeiert.

Das ist für uns ein Grund, unter dem Aspekt der Baukultur mal in den Kanton Schaffhausen zu gehen – und in Stein am Rhein zu schauen, wie sich das so putzige Städtchen im letzten halben Jahrhundert entwickelt hat.

Mit dem Wakkerpreis werden Städte und Gemeinden ausgezeichnet, in denen der Denkmalschutz und die Baukultur in den vergangenen Jahren besonders gefördert wurden. Der Schweizer Heimatschutz hatte damit in der ersten Zeit nur die alten Stadtbilder und die Altstädte im Blick, wie eben Stein am Rhein, Gais im Appenzellerland (1977) und die Barockstadt Bischofszell (1987). Seitdem hat sich der Schweizer Heimatschutz weiterentwickelt. Vom etwas nostalgischen Blick auf pittoreske Altstädte haben sich die Kriterien ausgeweitet, sodass heute auch Industriestädte und große Agglomerationsgemeinden ausgezeichnet werden, dieses Jahr ist es Meyrin, eine Trabantenstadt nordwestlich von Genf.

In den letzten 50 Jahren hat sich aber auch in Stein am Rhein vieles geändert. Wie sah die Stadt 1972 aus, als sie den Wakker-Preis bekam – was ist seitdem neu hinzugekommen?
– An der Stelle der Rheinbrücke war noch eine hölzerne Behelfsbrücke, denn die alte Holzbrücke aus dem 19. Jahrhundert war schon abgebrochen und die moderne Betonbrücke wurde erst 1974 fertiggestellt.
– Das Ortszentrum mit den schön bemalten Häuserfassaden, die allerdings überwiegend aus dem 19. Jahrhundert stammen, war noch nicht autofrei – der Rathausplatz wurde erst in den 1990er-Jahren endgültig zur Fußgängerzone mit den Straßencafés, wie wir ihn heute kennen.
– Vor dem östlichen Stadttor stand noch eine Fabrik, die nach 1972 abgebrochen wurde und durch das 1975 eröffnete Hotel Chlosterhof ersetzt wurde. Dieses hat inzwischen selbst den Betrieb eingestellt und wird zu einer Seniorenwohnanlage umgebaut, behält aber seine Gestalt aus den 1970er-Jahren und die dunkelrote Klinkerfassade.

Erst auf den zweiten Blick ist die Veränderung der früheren Klosterkirche sichtbar: Die ursprünglich romanische Kirche wurde mit der Reformation zur evangelischen Stadtkirche, was sie bis heute ist. An ihr ist aber gut zu sehen, dass nicht nur katholische Kirchen in den letzten Jahrzehnten den Bedürfnissen unserer Zeit angepasst wurden, bei diesen mit dem Altar, der näher bei den Leuten ist. Bei der Renovierung 1992 sollte zunächst mehr Platz geschaffen werden für Veranstaltungen wie Konzerte oder meditative Tänze, was durch neue, zusammenschiebbare Bänke aus Tannen- und Eichenholz erreicht wurde. Aus Holz und in einfachen Formen sind auch die Figuren, mit denen die Eingangstüre und der Altar sowie der Ambo dekoriert sind, wobei man die zwölf Apostel am Eingang aus nächster Nähe betrachten kann. Stilistisch erinnern diese auch an Statuen aus der Romanik, sodass hier das Prinzip „Weiterbauen“ schön illustriert ist.

Schweizer Heimatschutz (SHS), www.heimatschutz.ch

Weitere Wakkerpreis-Städte und -Gemeinden in der Umgebung des Bodensees: Gais AR (1977), Wil SG (1984), Bischofszell (1987), Winterthur (1989), St. Gallen (1992), Hauptwil-Gottshaus (1999)

Termine des „Wakkermobils“ im Kanton Schaffhausen: Neuhausen am Rheinfall, 30. Juli; Stein am Rhein, 1. August (Nationalfeiertag); Rüdlingen/Buchberg, 3. September; Hallau, 10. September

Veröffentlichungen des SHS:
Die praktischen kleinen Führer „Die schönsten …“ zeigen eine Auswahl von sehenswerten Cafés, Hotels, Museen, Parks, Bädern und anderen Objekten (jeweils ca. 90 S., CHF 16.– oder 18.–).
Noch kompakter sind die Leporellos „Baukultur entdecken“ für einzelne Städte, die von den kantonalen Sektionen des Heimatschutzes herausgegeben werden und bei den Tourist-Infos kostenlos erhältlich sind, in unserer Region z.B. für Kreuzlingen, Neuhausen am Rheinfall, Schaffhausen, Stein am Rhein und Weinfelden.

Stein am Rhein: www.steinamrhein.ch

Text: Patrick Brauns
Beitragsbild: ©Schaffhauserland Tourismus / Robert Bösch