Der Europäische Denkmaltag hat dieses Jahr auf beiden Seiten des Bodensees ähnliche Themen, aber organisatorisch besteht ein großer Unterschied: Im Norden findet er nur „digital“ statt, im Süden ist das normale Veranstaltungsprogramm. Die Deutschen können also nach eigenen Interessen losziehen oder die Gelegenheit nutzen, bei den Schweizern vorbeizuschauen.

In Deutschland neu gedacht

Weil das Motto des Denkmaltags in Deutschland – „Chance Denkmal: Erinnern. Erhalten. Neu denken.“ – ziemlich allgemeingültig ist und offenlässt, in welche Richtung neu gedacht werden soll, verweisen wir hier auf die dafür eingerichtete Website der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.

Europäische Tage des Denkmals 2020: „Weiterbauen – Verticalité – Costruire nel costruito – Construir en il construì“, www.nike-kulturerbe.ch/de/hereinspaziertch-denkmaltage/
Tag des offenen Denkmals: www.tag-des-offenen-denkmals.de

In der Schweiz weitergebaut

Wenn eine Straße oder Autobahn weitergebaut wird, wissen die Autofahrer, dass sie verlängert wird –  und die Anwohner wissen, dass mehr Verkehr kommt. Bei einer Stadt hat das „Weiterbauen“ verschiedene Bedeutungen: Es wird verdichtet und aufgestockt, es werden alte Bauten durch moderne Teile erweitert, es wird modernisiert und den heutigen Bedürfnissen angepasst. In der Schweiz wird das „Weiterbauen“ auch verständlicher, wenn man die Übersetzungen anschaut: Italienisch (und Rätoromanisch ähnlich) „Costruire nel costruito“, also „Bauen im Gebauten“, die französische Version „Verticalité“, d.h. die „Senkrechtheit“, ist konkreter und zeigt die logische Konsequenz auf: Wenn wir (angeblich) mehr Wohnfläche brauchen und nicht noch mehr Landschaft zubetoniert werden soll, müssen wir in die Höhe gehen – und das eben im Rahmen der schon bebauten Flächen.

Dafür präsentieren die Denkmaltage „Best-Practices-Beispiele zu Anbauen, Aufstocken, Transformieren, Neubauen“. Mit solchen Beispielen können laut den Veranstaltern auch „die Interessenkonflikte zwischen dem Schutz des baukulturellen Erbes, den Bedürfnissen der Menschen und der inneren Verdichtung diskutiert“ werden. Beim Denkmalschutz gibt es ja potenzielle Konflikte in alle Richtungen, die individuell oder politisch gelöst werden müssen: mit der Ökologie (Solardächer), mit der Barrierefreiheit etc.

Seemuseum_Kreuzlingen

Was das Motto konkret bedeutet, kann man am Schweizer Ufer schön am Beispiel des Gebäudes sehen, in dem am 12. September die Eröffnungsveranstaltung stattfindet: Die frühere Kornschütte des Klosters mit dem markanten Staffelgiebel am Ende des Seeparks wurde im 16./17. Jahrhundert erbaut. Um darin das Seemuseum einzurichten, wurde sie 1990-1993 umfassend restauriert, durch eine moderne Wendeltreppe wurden die oberen Etagen zugänglich gemacht. Für die heutigen Museumsbedürfnisse wurden 2018/19 der Eingangsbereich und der Gewölbekeller umgestaltet, mit möglichst minimalen Eingriffen in die historische Bausubstanz. Auch das Museumscafé hat jetzt mehr Platz. www.seemuseum.ch

Ein noch älteres Gebäude im Thurgau wurde in diesem Sommer weitergebaut: Das Schloss Hagenwil, das als eines der letzten erhaltenen Wasserschlösser idyllisch in der Landschaft steht, brauchte eine Vergrößerung der Restaurantflächen. Weil es äußerlich nicht verändert werden kann, wurde von den Architekten das Projekt „Neuer Schlosshof“ entwickelt, mit dem der Wehrgang im  Obergeschoss, der erst aus dem 19. Jahrhundert stammt, über dem Innenhof verbreitert wurde. www.schloss-hagenwil.ch

Schloss Hagenwil – neuer Schlosshof

Treppauf, treppab in St. Gallen

Die Ostschweizer Metropole St. Gallen hat sich in den letzten Jahren als „Stägestadt“ einen Namen gemacht. Die Treppen sind einfach gebaut, aber sie gestalten den Stadtraum und erschließen die Hänge für Fußgänger. Damit Einheimische (aus der Stadt und der Region) das mit allen Sinnen erleben können, gibt es auch dieses Jahr wieder einen „Stägestadt-Tag“: Am 6. September ist auf der Gesstreppe südöstlich der Altstadt von 8 bis 16 Uhr ein vielseitiges Programm mit Führungen, Lesungen, Konzerten und – passend zur Textilstadt – einer Kleiderpräsentation durch das Couture-Lehratelier geplant. www.staegestadt.ch

Gesstreppe – Stägestadt-Tag, St. Gallen

Text + Foto: Patrick Brauns


Beitragsbild: Münsterplatz Konstanz – Dach beschirmt . Anmerkung: Die Sonnenschirme hinter dem Dachfirst weisen darauf hin, dass auch hier das historische Haus in neuester Zeit mit einer Dachterrasse „weitergebaut“ wurde.