Der Bodensee war ja immer schon „Zonenrandgebiet“; eine außereuropäische Grenze durchschneidet unsicht-, aber doch spürbar das idyllische Gewässer und auch das österreichische und bayerische Ufer definiert Grenzen gerne neu.
Doch eine Verbotszone eint neuerdings alle hüben wie drüben: die 30er-Zone!
Das Wiedererstarken von Grenzen feiert als „Geschwindigkeitsbegrenzung“ ein starkes, gar internationales Revival als Straßenbewegung. Ganze Städte, kleinere Gemeinden und selbst größere Agglomerations-Verbindungen entdecken für sich die Langsamkeit neu.
Paradoxerweise ist der Raum Friedrichshafen – also die automobile Hightech-Zuliefer-Hochburg – hier seit gefühlt zehn Jahren absoluter Vorreiter. In Blitzgeschwindigkeit entstanden hier quer durch die Stadt-Traversen Radarmasten in Hundertmeter-Abständen, drosselten zunächst nachts, dann auch tagsüber die Durchschnittsgeschwindigkeit nachhaltig. Langsam diffundierten die Entschleunigungs-Maßnahmen auch ins Umland und so ist zwischen dem führenden Wirtschaftsraum am See und Meersburg schon seit Langem Slowmotion angesagt.
Das Klimanotstandsgebiet No. 1 (also weil’s das einzige blieb) strebt nun ebenfalls konsequent im ganzen Stadtgebiet nach Verkehrsberuhigung: gebremste Durchschnitts-Geschwindigkeits-Konstanz als Aufgabe.
Alle Gemeinden und Städte schließen sich dieser „Bewegung“ ebenfalls mehr und mehr an. Zum Erstaunen vieler sind dabei politische Systeme irrelevant: selbst direktdemokratische Schweizer Städte, Gemeinden und Kantone machen sich „langsam“, aber sicher auf den Weg.
Der Bodensee entwickelt sich so großräumig zur 30er-Zone (was durchaus politisch ebenfalls ein Thema wäre, das aber ist eine andere Geschichte).
Inwieweit eine marode und sanierungsbedürftige Infrastruktur hier entscheidungsrelevant ist, sei mal dahingestellt: Fakt ist jedenfalls, dass man selbst mit SUVs auf so mancher öffentlichen Buckelpiste besser net huddelt.
Schön, wenn wenigstens andere verkehrstechnische Darreichungsformen „voranmachen“ würden, allerdings fährt man da politisch ebenfalls seit Jahrzehnten mit angezogener Handbremse rund um den See.
Eine entschleunigte Verkehrsregion ist allerdings ein Standortvorteil: denn die hübschen Städte und die tollen Landschaften lassen sich so umso mehr genießen. Und auch in Städten ist die Nachricht eine gute: Überall 30er-Zone heißt „überall 30er-Zone“! Im Umkehrschluss: Wenn es in den Städten auf keiner Straße mehr schneller vorangehen soll, dann: freie Fahrt für stressfreie Bürger. Überall! Gegenwind wird so zu Rückenwind.
Plötzlich werden Nebensträßchen wieder sinnvoll, neue „alte“ Wege locken. Und weil wir schon Jahrzehnte gelernt haben, dass „30“ ja weniger Lärm verursacht, stört es umgekehrt natürlich auch weniger, zumal mit weiterer Elektrifizierung des Gesamtverkehrs.
Insgesamt entzerrt dies Staus und lässt gesellschaftlich gewollte Gleichmacherei allerorten „gleichmäßig“ verteilt aufleben. Und geplagte Hauptachsen-Anwohner können endlich (sogar bei offenem Fenster) aufatmen.
Dass 50 bekanntlich das neue 30 ist, wird auf den Straßen zumindest endlich wahr: überall am schönen See.
Hoch8ungsvoll,
Markus Hotz

Markus Hotz, Herausgeber