Gerade während der Sommermonate ist die Bodenseeregion ein beliebtes Ziel für zahlreiche Feriengäste – insbesondere aus dem deutschsprachigen Raum. Das Image als Urlaubsregion ist nicht nur bei Touristen, sondern vielfach auch bei Einheimischen verbreitet. Tatsächlich lebt die Bodenseeregion aber nicht vom Tourismus alleine, ökonomisch weitaus wichtiger sind die Industrie und das produzierende Gewerbe. Sie sichern Arbeitsplätze und tragen entscheidend zur Wirtschaftskraft der Region bei.

Was viele nicht wissen: Die Bodenseeregion zählt zu den dynamischsten und innovativsten Wirtschaftsräumen in Europa. Sie rangiert im europaweiten Vergleich auf den vorderen Plätzen und konnte die Beschäftigtenzahlen in den letzten Jahren, ja Jahrzehnten, kontinuierlich steigern. Die stärksten Treiber des Wirtschafts- und Beschäftigungswachstums sind die exportorientierten Industrieunternehmen.

Global player und „hidden champions“

Zahlreiche global tätige Unternehmen prägen das Bild der heimischen Industrie: ZF Friedrichshafen, Airbus, Vetter, Liebherr, Doppelmayr, Blum, Hilti, Stadler Rail oder Bühler – um einige der internationalen Player zu nennen. Daneben gibt es eine Vielzahl von klein- und mittelständischen Unternehmen, die in ihren Branchen zu den Weltmarktführern gehören und ebenfalls eine Vielzahl von attraktiven Arbeitsplätzen bereitstellen. Unter ihnen gibt es zahlreiche „hidden champions“, die mit innovativen Produkten in ihren Technologiefeldern zu den Weltmarktführern zählen. Unternehmen wie die ETO Gruppe aus Stockach, Blumer-Lehmann aus Gossau, Ivodent Vivaclar aus Schaan oder Gantner aus Nüziders in Vorarlberg kennen wohl die wenigsten in der Bodenseeregion. Sie sind aber in ihren Bereichen weltweit unterwegs und tragen mit ihrer hohen Innovationstätigkeit entscheidend zum langjährigen wirtschaftlichen Erfolg der Bodenseeregion bei. Die Industrieunternehmen in der Bodenseeregion sind gut aufgestellt, zeigen sich auch in der Krise robust und befinden sich aktuell bereits wieder auf einem Wachstumspfad.

Regional verankert

Betrachtet man die Industriestruktur am Bodensee genauer, so finden sich rund um den See interessante Gemeinsamkeiten: Viele der Unternehmen sind (noch) im Familienbesitz oder auf andere Art und Weise stark regional verankert, wie z.B. die ZF Friedrichshafen. Um innovativ zu bleiben, investieren sie in erheblichem Umfang und das weiterhin in der Bodenseeregion. Eine Erhebung der Universität St. Gallen schätzt das aktuelle Investitionsvolumen in der Bodenseeregion auf mindestens 3 Milliarden Euro.

Für die Zukunft gerüstet?

Also alles gut im Wirtschaftsraum Bodensee? Kann man sich beruhigt zurücklehnen und hoffen, dass sich die positive wirtschaftliche Entwicklung auch in den kommenden Jahren fortsetzt? Eine Umfrage unter Entscheidungsträger:innen in der Bodenseeregion, die im Rahmen der regionalen Zukunftsstudie Bodensee 2030 durchgeführt wurde, zeigt, wie positiv die mittel- und langfristige Entwicklung des Wirtschaftsraumes eingeschätzt wird. Viele erwarten, dass das bisherige Wachstum auch zukünftig weitergehen wird. Damit der Wirtschaftsraum Bodensee aber wirklich langfristig fit für die Zukunft ist, braucht es – wie in anderen Regionen auch – kontinuierliche Anstrengungen. Zu den Herausforderungen gehören die schon seit Jahrzehnten bekannten Standortprobleme, wie die mangelnde Anbindung der Bodenseeregion an die überregionalen (öffentlichen) Verkehrsnetze oder die immer noch stark ausbaufähige Kooperation der Unternehmen mit den regionalen Hochschulen und Universitäten, vor allem über die Grenzen hinweg. Aber auch weltweite Entwicklungen wie die Digitalisierung oder die Transformation der Automobilindustrie oder die Maßnahmen zum Klimaschutz machen vor der Bodenseeregion nicht Halt.

Fachkräfte halten und gewinnen

Um die Unternehmen in der Bodenseeregion zu halten und wenn möglich weitere anzuziehen, steht die Bodenseeregion in Konkurrenz zu anderen Standorten. Ein wesentlicher Faktor für Unternehmen ist die Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte. Der Bodenseeregion fehlen Fachkräfte: in der Produktion oder im Handwerk genauso wie Hochschulabsolventen. Die Bodenseeregion läuft hier Gefahr, gegenüber anderen Standorten ins Hintertreffen zu geraten. Sie kann in diesem „war of talents“ nur bestehen, wenn es gelingt, die bereits in der Region lebenden Arbeitskräfte zu halten und weitere qualifizierte Arbeitskräfte in die Region zu holen. Eine intensivere Zusammenarbeit mit den zahlreichen Hochschulen und Universitäten in der Region kann hierzu einen Beitrag leisten. Aber es braucht mehr, und hier zeigt sich eine der zentralen Herausforderungen für die Zukunft: Nur wenn es gelingt, den Arbeitskräften ein attraktives Lebensumfeld zu bieten, besteht die Chance, dass diese in der Region bleiben oder bzw. in die Region kommen. Die Bodenseeregion kann allein mit schöner Landschaft und attraktiven Freizeitmöglichkeiten nicht punkten. Andere Faktoren wie verfügbarer und vor allem bezahlbarer Wohnraum, verfügbare und verlässliche Kinderbetreuungsmöglichkeiten, attraktive (urbane) Kulturangebote und eine leistungsfähige Verkehrsanbindung spielen bei der Wahl des Wohnortes für (potenzielle) Fachkräfte eine entscheidende Rolle. Und schlussendlich braucht es ein differenzierteres Bild: Die Bodenseeregion hat nicht nur See und schöne Landschaft zu bieten, sondern ist ein zukunftsfähiger und einzigartiger High-Tech-Standort. Nur so hat der Wirtschaftsraum Bodensee auch eine Zukunft.

www.denkraumbodensee.org

Text: Roland Scherer & Simone Strauf