„Wir werden uns viel zu verzeihen haben“, philosophierte ein deutscher Gesundheitsminister noch in der Hochphase der Pandemie und seiner Beliebtheit. Immerhin darin sollte er recht behalten.

Hier um den großen Teich herum, haben wir in einer Art Mikrokosmos die Virenverbreitung und Bekämpfung bislang in unterschiedlicher Ausprägung kennenlernen können. Ein paar Erkenntnisse sind schon jetzt wegweisend für die weitere Entwicklung bzw. hilfreich bei zukünftigen Pandem- und sonstige Anomal-ien.

Zum Beispiel, dass der Landkreis Lindau hier die rote Laterne trägt! Wenn auch mit söderschem Stolz. Härter als anderswo am See wurde hier umgesetzt, was auch sonst in Bayern nirgends wirklich zum Erfolg geführt hatte. Maximale Schließungen und Abgrenzungen waren dem Virus „vergleichsweise“ egal. Auch die Behauptung, dass die hohen Indizes „nur an der besonderen Grenzsituation“ lägen, konnte man in den anderen Grenz-Kreisen am See nur als komische „Rand“-Notiz vermerken. Wieso allerdings die Bevölkerung dort mehrheitlich die Grenzschließung nach Österreich befürwortete, bleibt nach jahrzehntelang gelebter Nachbar- oder gar behaupteter Freundschaft ebenfalls so bemerkens- wie bedenkenswert.  Vorarlberg hat als Testgebiet vielmehr vorgelebt, dass Lockerungen mit Augenmaß nicht zwangsweise zu gefährlichen Infektions-, wohl aber volkswirtschaftlich zu besseren Zahlen führen. Zumindest hier ein klares 1:0 für Österreich.

Doch selbst im benachbarten Bodenseekreis waren die Indizes oft deutlich besser, obwohl Baden-Württemberg nicht sehr viel lässiger verfuhr (eine innerdeutsche Grenzschließung, um das bayrische Königreich vollumfänglich zu schützen, war allerdings sicherlich schon Teil der Sicherheitsstrategie). Und während die deutschen Landkreise, von Konstanz, über Sigmaringen, Tuttlingen und Ravensburg etwas gedämpfter über die Monate so auf- und abwogten, stellt sich nun überraschend die Schweiz als klarer Spitzenreiter in dieser Regionalliga heraus. Tapfer, zuweilen auch ein bisschen trotzköpfig blieb man in den Kantonen am See bei einer liberalen Linie: die Schulen und Kindergärten waren hier nie geschlossen, (im Nachhinein) vertretbare Öffnungs-Optionen wurden mutig und frühzeitig ergriffen, höhere Infektionszahlen und Intensiv-Versorgungen in Kliniken schlicht „ausgehalten“. Im Ergebnis kommen hier Wirtschaft und Bevölkerung gemeinsam besser und „gesünder“ durch die Krise. Ich tippe bei der „EM 19“, in der sich irgendwann in absehbarer Zeit alle europäischen Volkswirtschaften retrospektiv miteinander vergleichen lassen müssen, derzeit sogar auf den Pokal für die Schweiz. Europaweit hat wohl kein anderes Land, die Balance von Öffnen und Schließen, Vorgaben und Eigenverantwortung austariert. Da werden alle anderen zu Neidgenossen!

Wieso gerade dort die Querdenker noch lauter und schriller aufjaulen, über vergleichsweise moderate und mit Augenmaß durchgeführte Pandemiemaßnahmen, wird mir ebenfalls eines der vielen ungelösten Covid-Rätsel bleiben.

Grenzübergreifend nah und unmittelbar voneinander lernen, könnte auch hier wieder die europaweit einmalige Chance sein (die betuliche Regionalpolitiker und Verwaltungen sicherlich wieder verpassen werden!). Wir werden auch hier grenzübergreifend noch lange „viel zu verzeihen haben“.  Und auch eine andere Grenze gilt es langsam zuzuschütten: der unsichtbare, aber weithin hörbare Riss der durch die Bevölkerungsschichten hüben wie drüben geht. Im hysterischen Pandemie-Modus ist zwischenmenschlich viel zerstört worden; ganze Existenzen sind ruiniert, Freundschaften „überkreuz und quer“ zerbrochen.

Wenigstens beim „Wogenglätten“ sollte die Bodensee-Region international klar in Führung gehen.