Vor einem halben Jahr hat uns die Schließung der Grenzen wegen der „Corona-Krise“ erschreckend deutlich gemacht, wie sehr Zäune trennen können, wenn sie tatsächlich eine geschlossene Grenze markieren. Im Gegensatz zu Mauern haben die Zäune den Vorteil, dass man von beiden Seiten hindurchschauen kann. Heute schauen wir stattdessen mal auf die Zäune.

Was eingezäunt wird

Wo seit der Eröffnung der Kunstgrenze zwischen Konstanz und Kreuzlingen 2006 freier Personenverkehr war (natürlich durch Kameras überwacht), wurde Mitte März ein unüberwindbarer Zaun aufgestellt, der Paare und Familien getrennt hat – und erst zwei Monate später wieder abgebaut werden konnte. Eine derart trennende Funktion haben sonst nur Zäune um Gefängnisse und Lager, um militärische Anlagen oder bestimmte Werksgelände. So findet man die sichersten Zäune mit Stacheldraht nach NATO-Standard („Nato-Draht“) nicht nur um Munitionsdepots der Bundeswehr, sondern auch um die Gelände von Getränkeherstellern wie Red Bull und CocaCola, sodass man meinen könnte, deren streng geheime Rezepte müssten vor Dieben geschützt werden. Am Bodensee sind es die Produktions- und Zulieferbetriebe der Rüstungsindustrie, die mit Zäunen umfriedet sind, als seien sie militärische Anlagen. Ebenso wie bei landwirtschaftlichen Weidezäunen ist die Bauart (Höhe, Material u.a.) solcher Zäune von der Funktion bestimmt.

Wie man sich hier ab- und umgrenzt

Die meisten Zäune dienen eher der Abgrenzung eines Grundstücks, und da gibt es einen großen Gestaltungsspielraum, sodass auch Zäune ein Randgebiet der Architektur sind. Für einen Zaun braucht man normalerweise keine Baugenehmigung, außer wenn er eine bestimmte Höhe übersteigt. Welche Arten von Zäunen in Wohngebieten erlaubt sind, hängt von den Vorschriften der Gemeinden ab. Mit Metall- und Holzzäunen in den verschiedensten Formen grenzen Haus- und Grundstücksbesitzer nicht nur ihr Territorium ab, sie können auch ihren Stil und Geschmack ausdrücken.

Die älteste Form, einen Zaun zu bauen, ist wohl der Flechtzaun, bei dem senkrechte Holzstangen durch ein Geflecht von Weidenzweigen zu einem dichten Zaun verbunden werden. Sie wurde schon in der Jungsteinzeit erfunden, als die Menschen sesshaft wurden und anfingen, Tiere zu halten. Man sieht solche Flechtzäune heute noch bei traditionell gepflegten Bauerngärten, aber auch zunehmend in den Städten am Bodensee – bei Gärten, deren Besitzer auf einen natürlichen Eindruck Wert legen und einen Zaun „Marke Eigenbau“ schöner finden als einen vom Baumarkt.

Und es gibt Zäune um einfache Einfamilienhäuser, deren Besitzer wohl von einem Schloss träumen – mit „vergoldeten“ Spitzen und anderen feudalen Verzierungen. Das kann man kitschig finden, aber solange es keine optische Belästigung ist, müssen die Nachbarn damit leben. Und mancher denkt wohl: Da wohnt der Zaun-König!

Das Gegenstück zu diesen „My home is my castle“-Zäunen ist der einfache Pferdekoppel-Weidezaun. Er besteht nur aus runden, in den Boden geschlagenen Pfosten, auf die jeweils zwei Halbrundhölzer genagelt werden – der Minimalist unter den Zäunen. Dieser Holzzaun bietet das geringstmögliche Hindernis und zeigt nur das Ende des Grundstücks an. Er ist nicht nur leicht zu übersteigen, sondern auch der einzige Zaun, auf dem man sitzen kann, wobei man sich als ruhender Grenzgänger fühlen kann. Auf dem Hag haben früher auch die Hexen gesessen, denn dieses Wort wird so gedeutet, dass sie auf der Grenze (althochdeutsch hagazussa) zwischen der realen und der „anderen“ Welt saßen, zwischen dem Diesseits und dem Jenseits.

Zäune können so abweisend sein wie Mauern und hohe Hecken, oft sind sie auch hinter einer Hecke versteckt. Sie können aber auch einladend sein oder die Passanten zumindest zum Lächeln bringen. Wer Zaungäste an der Grundstücksgrenze hat, kann ja kein schlechter Mensch sein.

Text + Fotos Patrick Brauns

Beitragsbild: Flechtzaun in Konstanz