„Konstanz im Nationalsozialismus 1933–1945“: Unter diesem Titel kann seit dem 25. Juni die neue Dauerausstellung des Rosgartenmuseums besucht werden. Gezeigt wird hier die Geschichte der Stadt Konstanz und der Schweizer Nachbarschaft aus einer biografischen, lebendigen Perspektive.

Das Thema „Nationalsozialismus“ ist momentan aktueller denn je, wie Dr. Tobias Engelsing, Direktor des Rosgartenmuseums und Kurator der Ausstellung, erklärt: „Liberale Demokratien sind weltweit eher auf dem Rückzug und autoritäre bis totalitäre Herrschaftsformen haben wieder kräftigen Aufwind.“ Er verweist dabei vor allem auf die derzeitigen Geschehnisse in der Ukraine: „Der russische Überfall zeigt, wie verletzlich Frieden, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sind. Eine solche Ausstellung ist auch ein Appell an uns, die Freiheit aktiv zu verteidigen. Wenn wir für unser freiheitliches Gemeinwesen nicht einstehen, bleibt es gefährdet.“

Persönliche Erinnerungsstücke
Vorgestellt werden in der Ausstellung mutige Menschen, die dem staatlich verordneten Hass auf Minderheiten widerstanden haben und couragiert Hilfe leisteten. „Die Erinnerung an die jüngere deutsche Geschichte muss sich heute anders, personalisierter präsentieren, um jüngere Besucher*innen anzusprechen“, sagt Engelsing. Um dies umzusetzen, hat das Rosgartenmuseum bereits im letzten Jahr Konstanzer und Kreuzlinger Bürger*innen darum gebeten, für die Ausstellung Dokumente und Fotos von 1933 bis 1945 zur Verfügung zu stellen. Mit Erfolg, wie der Kurator berichtet: „Wir waren sehr überrascht über die Fülle an biografischen Materialien, die wir bekamen: Feldpostbriefe, persönliche Objekte aus Krieg und Gefangenschaft, bedrückende Erinnerungsstücke an die Judenverfolgung in Konstanz, die uns aus aller Welt erreichten.“ Auch die Schweizer Nachbarn übermittelten „sensationelle, noch völlig unbekannte Fotos von der Grenzsperre im Jahr 1945 und von den letzten Tagen der NS-Diktatur“, so Engelsing. In einem Keller fand das Museumsteam zudem eine volle Cognacflasche aus dieser Zeit.

Mahnende Geschichten
Wie persönlich die Erinnerungsstücke und Geschichten der einigen hundert Exponate sind, wird beim Gang durch die Ausstellung deutlich. „Mich berührt besonders der schlichte Schmuck einer Konstanzer Jüdin, der über 80 Jahre nach ihrer Emigration nach Konstanz zurückgekehrt ist“, erzählt Engelsing und ergänzt: „Wir haben die Exponate liebevoll arrangiert, sodass sie ihren Zauber oder ihre mahnende Kraft entfalten können.“ Erinnert wird in der Ausstellung beispielsweise an den Bodenseemaler Otto Marquardt, der ab 1933 mit seinem Ruderboot verfolgte Gewerkschafter in die Schweiz rettete, oder an die Dominikanerin Schwester Brigitta Hilberling, die, bis zu ihrer Verhaftung, in ihrem Unterricht den Mut hatte, christliche Werte der Staatsideologie gegenüberzustellen. „Durch diese persönlichen Geschichten wird die Zeitreise durch die Nazi-Zeit zu einem Moment des Nachdenkens darüber, wie wichtig die Freiheit und der Rechtsstaat sind“, so der Museumsdirektor.

Digital und live vor Ort
Neben dem Rahmenprogramm mit Vorträgen und Sonderführungen sowie kurzen digitalen Ton- und Filmsequenzen wird die Ausstellung durch einen neuen Dokumentarfilm über die NS-Zeit in Konstanz ergänzt. „Wir haben uns zusammen mit der Filmemacherin Teresa Renn und dem Kameramann Kai Lehmann auf den Weg gemacht, ,Orte der Diktatur‘ ausfindig zu machen, die noch heute im Stadtbild zu sehen sind“, berichtet Engelsing. Entstanden ist eine Mischung aus Originalaufnahmen von damals und heutigen Orten. Finanziert wurde die digitale Ausstattung von der Werner Konrad Siegert Stiftung und der Dokumentarfilm vorwiegend von der Konstanzer Museumsgesellschaft. Einen Zuschuss gab es zudem von der Stadt Kreuzlingen, und auch private Stifter machten bedeutende Schenkungen. „Ohne solche starken Partner könnten wir zeitgemäße Formate wie dieses nicht bieten“, fügt Engelsing an und macht auf die Dimensionen der Ausstellung, in der eingeworbene Drittmittel von rund 45.000 Euro stecken, aufmerksam. 

Rosgartenmuseum Konstanz
Rosgartenstraße 3–5
D-78362 Konstanz
+49 (0)7531 900 22 45
www.rosgartenmuseum.de

Beitragsbild: Foto aus einem Album der Hitlerjugend
Text: Andrea Mauch